29.9.11

harte themen, harte worte. oder: was die welt braucht

es scheint, als wuerden hier in kolumbien viele kaempfe und themen dieser welt, ihrer politik und ihres wirtschaftssystems ausgetragen: die andere seite der medaille, ein land, das niemanden interessiert - beziehungsweise dessen dynamiken viele fuerchten - und doch hochgradig leidtragend ist von unseren fatalen wohlstandsgewohnheiten und den politisch ausgehandelten relativen und so zerbrechlichen gleichgewichten, die auf hohen zaeunen der ausgrenzung, auf ungleichheit, hunger und mord basieren.

hier tobt der kampf und schwelt weiter - loesungen oder gar transformation sind nicht in sicht. stattdessen diskursaenderungen, diplomatie, medienstrategien, um die ausbeutung unter den deckmantel von nachhaltigkeit und entwicklung zu stecken.

eine komplexe von gewalt gepraegte geschichte, verursacht durch eine ungeklaerte land- und ressourcennutzung, durch systematische internationale ausbeutung ueber jahrhunderte hinweg, die unterdrueckung politischen widerstands und die verweigerung von demokratie. letzteres jedoch nicht nur von innen heraus sondern durch im kampf um weltmacht und ideologie, ein nebenprodukt der angst vor kommunistischen diktaturen (wie sie in kolumbien nie wahrscheinlich war), gewaltvolle systeme von komplizenschaft und der schaffung von feindbildern. deswegen wurde einige jahrzehnte lang beliebter weg eines widerstandes in kolumbien der bewaffnete kampf im untergrund. insgesamt haben hier 12 guerillagruppen existiert. spiralen sich reproduzierender gewalt.
politische opposition wurde umgebracht.

kolumbien ist leidtragend von waffenimporten, die im schatten der offiziellen kanaele gegen im norden beliebtes coca gehandelt werden, das gesunde menschen in gesunden systemen nicht in diesen mengen braeuchten. drogenkonsum, der ein mafiasystem schafft, das der korruption in allen politischen raengen tuer und tor oeffnet. millionengewinne, die in keiner bilanz sichtbar werden.

die ausbeutung in der blumen-, frucht-, wasser-, bodenschatzproduktion. riesenstaudaemme, die doerfer und ihre bewohner_innen wegschwemmen.
und damit die grosse landfrage, die die nation bewegt, so wie machthabende weltweit, die ihren einfluss auf "reiche" laender sichern muessen. hier regnet es genug. zu klimawandel und umweltzerstoerung wurde wohl wenig beigetragen.

ausbeutung ist auf dem ganzen lateinamerikanischen kontinent thema seit seiner "entdeckung" durch menschen, die glaubten, hier ihre horizonte zu erweitern und dabei brutal raubten und ideologien und lebensentwuerfe aufoktruierten. lebensentwuerfe von besitz und heldentum, von macht durch kontakte und dem recht des staerkeren, prinzipien denen wir noch immer verbunden sind. und denen traurigerweise jetzt weltweit wir menschen nacheifern.

das ganze eingebettet in einen scheinheiligen menschenrechts- und demokratisierungsdiskurs, der jedoch genauso von europa und nordamerika gefuehrt und getragen wird.

eine welt in der jede auf  ihren vorteil bedacht ist. wir sind darueber nicht hinweg, die welt ist es nicht. alles haengt zusammen, und kolumbien kann viel zu einem positiven zusammenhaengen beitragen. und kleine projekte koennen das, und wir alle.

im friedensdorf herrscht manchmal demotivation. die mitglieder werden weder von regierung, noch dem rechtssystem ernst genommen,  die repraesentant_innen fuerchten drohungen. viele wurden schon ermordet.  die gewalt foerdert das partriachale system, vieles wird von wenigen maennern entschieden. ich bin habe meine kritik an der alternative des friedensdorfes, beziehungsweise bekomme ich in meiner position sehr viel alltagsleben mit, weniger politisch - strukturelle. mutig ist das jedenfalls und bewundernswert, was die leute hier auf die beine gestellt haben und jeden tag weiter leben. es schafft eine insel, ein kleines gebiet, auf dem mit frieden experimentiert werden kann. jedoch ist die insel so wenig akzeptiert u hat so wenig ressourcen, um sich kaum mit seiner weiterentwicklung beschaeftigen zu koennen, noch damit, wirklich in frieden zu leben, da die sorgen so praesent sind. und doch wird hier schon wirklich viel getan und ein mutiger und sehr steiniger weg gegangen.

ein bisserl frustrierend ist das schon alles. und das sind ja erst meine ersten einblicke in die komplexen strukturen und historischen zusammenhaenge und ihre realen auswirkungen auf die menschen und meine arbeit hier. im dorf ist es ja keinesfalls meine rolle, kritik zu aeussern, noch strategisch etwas einzubringen. hoffentlich nutzt schon die praesenz allein, um mut zu machen.

aber es ist auch motivierend. es gibt so viel zu tun!

...und dazu gibt es den schoenen spruch, dass die welt nur veraendbar ist, indem wir etwas tun, wobei wir uns wirklich lebendig fuehlen:

Was die Welt braucht
Frage Dich nicht, was die Welt braucht. Frage Dich, was Dich lebendig macht und dann geh' hin und tue das Entsprechende. Denn die Welt braucht nichts so sehr, wie Menschen, die lebendig geworden sind.


(Don't ask yourself what the world needs. Ask yourself what makes you come alive, and go do that, because what the world needs is people who have come alive.)


John Eldredge
american christian counsellor and author (*1960)

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