26.2.12

geschichten vom reisen

reisen ist ja eines der schoensten dinge auf der welt. besonders das reisen mit menschen, die sich fuer die kultur und die menschen des landes interessieren, besonders das reisen in umgebungen, in denen ich mich gut zurechtfinde, in denen ich die sprache gut verstehe u mich ueberall erkundigen und plaudern kann. besonders das reisen in einer gruppe und in kolumbien!

einige augenblicke, die ich teilen will….

...zum beispiel derjenige als wir am flughafen uns gegenseitig die tickets wegnahmen und rauften und die uebersaubere abflughalle mit gruppenspirit und lachen fuellten…

...als wir fertig zum reisen mit dem nachtbus am busbahnhof in bogota videos machten

...oder auf der grossen ladeflaeche eines lastwagens 40 minuten lang auf einem holperweg durch atemberaubende berglandschaften fuhren, versuchten in der mitte zu stehen, ohne uns festzuhalten oder auf den stangen zu baumeln. als wir schliesslich bei der rueckfahrt kinderlieder sangen

...an den vorbereitungstagen, als alle abgeholt waren u wir ums eck vom hotel ein bier trinken gingen. so lustig, wieder deutsch zu reden, gemeinsame bekannte herauszufinden, erste eindruecke zu teilen

...als wir am letzten tag gebannt lizas konzert lauschten, so eine schoene stimme, und danach alle ausgelassen tanzten

...als ich beim uebersetzen einer weiteren traurigen vertreibungsgeschichte einen lachkrampf bekam aus uebermuedung und wegen der typischen art des campesinos zu sprechen

...als wir motiviert vor den terminen bei der oesterreichischen botschaft und dem representanten der EU in kolumbien im juan valdez café bei leckerem cappuchino zusammensassen und sehr schnell u konzentriert die tagesordnung vorbereiteten

...als ich vor der reflexión in medellin mit einigen teilnehmern verrueckt auf der terasse herumhuepfte und turnte

...die vertrauensvolle stimmung und gepannte lauschen beim reflektieren und das grosse interesse der gruppe in den vortraegen. jedesmal war es schwierig, die diskussion zu stoppen, wenn wir aus zeitgruenden zum naechsten programmpunkt mussten

...und das gemeinsame fruehstuecken und das erzaehlen unserer traeume an den grossen tischen in derselben herberge mit den schoenen hohen altbauraeumen

...in der nacht in der haengematte das austauschen von meinen erfahrungen in der friedensgemeinde mit einigen teilnehmer_innen und in der ersten nacht in der friedensgemeinde als ich isaac all die geschichten erzaehlte, die in letzter zeit in unserem dorf vorgefallen waren

...und spaeter als ich so muede war und zuhause in der friedensgemeinde loslassen konnte und einfach zu mittag in unserem haus einschlief, ohne drueber zu reden was wir als naechstes am programm stehen wuerde u ohne zu begreifen, dass es isaac genauso gegangen war und spaeter als wir gemeinsam in bertas kueche sitzen und auf gut kolumbianische art mit ihr gemeinsam unser programm weiterplanen 

...im bus zurueck nach medellin als wir tanzten u sangen, salsa und mexikanische musik, und die haare im frischen fahrtwind wehten 

...als wir fertig und konzentriert auf den vortrag von ivan cepeda im kolumbianischen kongress warten und stefan ueber unsere tischmikrofone ein kabarrett startete

...der erste tag, als wir gruppenvereinbarungen treffen und darueber diskutierten, was fuer uns gewaltfreiheit bedeutet und dann als wir im friedensdorf im kiosk ein assotiationsspiel spielten u das treffen mit dem militaer vorbereiteten

...in einem traditionellen kolumbianischen restaurant, in dem wir an einem im U gestellten tisch sitzen u die speisen zum probieren im kreis herum geben und beim fruehstueck als wir mit isaac deutsch u mit maria spanisch ueben

...das essen im freien zwischen den haeusern in la union und die dorfversammlung eben dort, in der nacht in decken gewickelt unter den sternen

...und besonders als wir die letzten schritte des aufstieges in unser friedensdorf den auf uns wartenden menschen entgegenspringen

...unser walking council als wir im kreativen raum einer wehrdienstverweigerer-organisation im kreis gehen und tanzen und ideen hinaus in die welt rufen damit unsere erfahrungen hier in oesterreich weiterwirken wuerden…

....
wow, ich habe sooo schoene momente erlebt in den vergangenen wochen, werde die liste noch weiter ergaenzen...

einblicke


ich bin beeindruckt von den unterschiedlichen bilder, die gezeichnet werden vom leben hier. das  europaeische bild von der friedensgemeinde, das nach aussen gesendet wird, wie eine projektpraesentation. die tanzenden kinder, die lieder, um uns willkommen zu heissen, das sichtbare engagement. die dankbarkeit der menschen, ihre geschichte wieder und wieder erzaehlen duerfen. sie kennen sie so gut, reden ohne stocken. es gibt viel motivation bei ihnen und in unserer gruppe, die sich gegenseitig verstaerkt. schoen ist das. es gibt der friedensgemeinde unglaublich viel energie, wenn 11 engagierte menschen aus europa sich fuer sie interessieren. das schafft einen anderen raum, eine andere motivation als das tag fuer tag unsere begleitarbeit vermag. 

wir huepfen mit den kindern im kreis, singen ihnen unsere lieder vor und ich uebersetze die plaene von gemeinschaftsgaerten, dem kultivieren von medizinischen pflanzen, die geschichte der bibliothek, in der die kinder gute buecher zur verfuegung haben.  was fuer eine idylle, inspiration, ein projekt, fuer das man sich gerne engagiert! eine alternativen lebensform fuer den frieden von bauernfamilien. die schoenheit der natur, die kraft der menschen, die seit 15 jahren fuer friedlich der landvertreibung widerstehen.
der reise-welt-einblick.

und dann das in-der-gruppe-sein mit den oesterreicher_innen, das gemeinsame haengematten-aufhaengen und mosquitonetz-drumherum-festbinden. die lagerstimmung waehrend wir unsere lieder singen und mit den leuten tratschen, die sich uns neugierig naehern. so fein.

jetzt bin wieder hier im leben, im alltag der friedensgemeinde. ich komme an zu einer nachtwache fuer zwei tote junge menschen, die im kiosk in der mitte des dorfes aufgebart sind. schoen sehen sie aus, fast noch lebendig. der bursche hatte in einer bewaffneten gruppe gekaempft. das maedchen war die freundin eines anderen kaempfers gewesen u war einfach nicht schnell genug weggerannt, als das miliaer die gruppe angriff. ihre einjaehrige tochter ist ab jetzt halbwaise. trauriger kriegsalltag.
gestern das begraebnis. heute war ich fruehstuecken im haus der grossmutter des kaempfers. enttaeuscht ist sie, dass er sich trotz diskussionen und guter ratschlaege nicht davon abhalten hatte lassen, sein leben dem bewaffneten kampf zu widmen. nun hatte sie ihn die letzten sieben jahre seines lebens nicht mehr gesehen! und er war grade erst 22 jahre alt als er im kampf fiel.

wo ist meine inspiration? das tempo ist so anders hier. die reise war ein hoehepunkt, zwei wochen geballter energie, tage des intensiven lernens, des diskutierens in der gruppe der eindruecke von der fremden welt. ich habe bereits den reisebericht geschrieben, die finanzen erledigt, die evaluierung so gut wie fertig gemacht. wieder ankommen, um hier zu leben ist nie einfach. viel muedigkeit ist rund um mich und in mir spuerbar. 
das ist mein einblick ins leben hier, in die realitaet des konfliktes.

22.2.12

was ich bewege, was mich bewegt.

momentan durch und durch bewegt sitze ich in einer schoenen sonnigen wohnung in bogota u hoere deutschen hiphop. tee mit zimt und milch neben mir. hmmm.


in den letzten 3 wochen hatte ich besuch von einer solidaritaetsreisegruppe aus oesterreich. ich habe diese zusammen mit einem kollegen begleitet u einen grossteil davon vorbereitet. 11 reisende menschen mit vielen fragen und intentionen, vor allem aber diejenige, das friedensdorf zu besuchen und meine begleitarbeit dort zu unterstuetzen. und mir machte das bewusst, wie sehr ich hier bin, wie sehr diese vielen kolumbianischen realitaeten zu meinem neuen arbeitsumfeld geworden sind und ich alle damit verbundenen herausforderungen gut meistern kann. das gehen in gummistiefeln, das leben im dorf, das kochen ohne kuehlschrank, die feuchte hitze. die freiheit in der stadt, das geniessen der kultur, das nach 6 monaten wieder so frei tanzen wie ich will.

seit 6 monaten arbeite ich als internationale begleiterin in der friedensgemeinde san jose de apartado. es geht darum, raum zu schaffen fuer bedrohte aktivist_innen. mit ihnen zu wandern, damit sie nicht durch bewaffneten gruppen gefaehrdet sind, mit ihnen zu leben, um sie in ihrem willen zu unterstuetzen, sich von ihrem land nicht vertreiben zu lassen. das hier ist eine landbesetzung, die schon 15 jahre andauert, ein ueberlebensprojekt, das schaffen einer neutralen zone inmitten der territorien und interessen von drei verschiedenen bewaffneten gruppen. dahinter stehen oft multinationale konzerne, die den boden ausbeuten moechten und ihre allianzen mit dem staat, mit terroristischen gruppen, dahinter steht ein schattenwirtschaftszweig, der den kolumbianischen konflikt weiterhin finanziert und in den so viele bauern mit hineinverwickelt sind: der drogenhandel. und die menschen im friedensdorf sind bedroht, weil sie neutral sein moechten, weil sie nicht mitmachen in den kreislaeufen der gewalt und der toedlichen information.

um hier gut leben zu koennen, musste ich viel von meinem idealismus fuer eine weile zurueckstecken. hier gehts nicht, um visionaeres entwickeln, noch darum, viel eigenes einzubringen oder vieles gemeinsam zu bewegen. keine ratschlaege, keine bewertungen, evaluierungen. keine strategiediskussionen, traumkreise oder workshops
zu gewaltfreiheit.
es ist nicht das ziel von aussen etwas zu bringen, ausser den raum zu schaffen fuer die menschen, die wir begleiten. es geht um die praesenz. darum, bei den menschen zu sein. wir mischen uns nicht ein in die von ihnen geschaffene alternative. wir sind da und hoeren zu, die geschichten des konfliktes, der massaker. und wir sind noch mitten drin im konflikt, es ist kein ende in sicht.

fuer mich ist das leben im kolumbianischen dschungelbauernfriedensdorf eine herausforderung, ein totaler wechsel meines lebensstils, das verzichten auf vieles, was ich kenne und liebe: das freie tanzen, das erleben einer staedtischen kultur, die milch. ich bin mittlerweile stolz, dass ich das leben hier so gut meistere, auf notfaelle reagieren kann und genau weiss, mit wem im dorf ich auf welche art u weise reden u scherzen kann. ich bin begeistert von der begleitarbeit im sinne des hinschauens auf die flecken dieser welt, wo sich unser moerderisches wirtschafts- und gesellschaftssystem so grausam auswirkt. die praxis, den raum zu geben u sich auf die menschen und das leben hier einzulassen ist sehr fordernd u laesst mich nicht sofort erkennen, wie ich damit wachse. es bedeutet einschraenkungen, es geht selten darum, was ich persoenlich moechte. und doch bekomme ich viel zurueck. tiefe einblicke, das erleben des konfliktes von dieser persoenlichen seite. die dankbarkeit der menschen, das viele reisen und wandern, schlafen in haengematten. tiergeraeusche und der umwerfende sternenhimmel in der nacht. immer wieder aufwachen mit waerme und sonne. schwitzen u dreckig sein und dann baden im fluss.

ich bin momentan so sehr hier und das ist gut so.
im mai werde ich in oesterreich sein u praesentationen halten, teilnehmerinnen der reise bereiten einen film u eine ausstellung vor. ich freu mich drauf, doch bin ich weit weg. 
voraussichtlich werde ich ab juli hier in bogota das politische team unterstuetzen.
aber dazu spaeter, bis dahin fehlen noch viele intensive momente.