29.9.11

begleitend unterwegs

vorige woche begleitete ich gemeinsam mit jon eine organization in medellin, genannt ACA, die mich sehr an die oesterr. bergbaeuer_innen erinnerte. sie begleiten, motivieren und vernetzen baeuer_innen in der region um medellin, viel empowerment/arbeit, bildungsarbeit rund um wissen ueber biolandbau und oekosolidaritaet genauso wie arbeit mit kunst und kulturprojekten.

wir waren mit den ACA leuten und einer delegationsreisegruppe der staatlichen kanadischen EZA, die die ACA finanziell unterstuetzt, unterwegs. wir besuchten das herkunftsdorf eines ACA mitgliedes. derjenige wurde von dort drei mal vertrieben, zwei mal vom staatlichen militaer und einmal von der guerilla. 2004 fluechteten alle leute aus der region in die “turnhalle” des dorfes, wo sie einige wochen lange lebten. sie wurden beschuldigt, die guerilla zu unterstuetzen, was tw auf wahren tatsachen beruhte.

der von uns begleitete ACA aktivist ist jetzt aus politischen gruenden auf der hut von polizei und militaer. er setzt sich in einem rechtsstreit fuer seinen cousin ein, der vor einigen jahren von einem wieder-ins-militaer-eingetretenen-guerilla (hier gibts einen ausdruck dafuer, diese leute werden gerne als informanten wieder rekrutiert) unschuldig, sozusagen als mutprobe, erschossen und sein toter koerper als guerillero verkleidet wurde. falsos positivos heissen die opfer dieser taktik, beliebt, um politischen opponenten oder bevoelkerung, die am falschen platz lebt von staatlicher seite aus kooperation mit bewaffneten widerstandsgruppen in die schuhe zu schieben.

...in kolumbien werden 100e solcher faelle auf die lange bank geschoben. waehrend militaerische massaker in den letzten jahren tendentiell abgenommen haben, werden andere methoden, verwendet, um widerstaendische menschen leise zu halte: mittels jurisdiktion, nicht-nachbesetzung von stellen der volksanwaltschaft….

es herrscht weitgehend straflosigkeit. morden im namen des nationalen militaers will schliesslich nicht bekannt werden. menschenrechte werden in president santos diskurs mit der welt hochgehalten.

gut, deswegen begleiteten wir diese leute. und die kanadier_innen waren aufgeregt. die situation ist so echt, wenn wir mit dabei sind, meinten sie!

der tag verlief ohne zwischenfall, keine polizeilichen durchsuchungen oder aehnliches. unser ausflugsbus kletterte steile gebirgshaenge hinauf, auf dem weg in den osten von antioquien, jahrelang von guerillas kontrolliertes und daher abseits von strassen stark vermintes gebiet - antipersonenminen, in den boden gepflanzt fuer feinde der guerilleros, leidtragend ist jedoch die lokalen baeuerliche bevoelkerung.

aktuell befindet sich die an bodenschaetzen und wasser reiche region im gefecht der nationalen entwicklungsplaene wie riesenstaudammprojekte, gold/ salz und mineral/minen und auch holzabbau. die regierung moechte in dieser gegend eine freie zone fuer minen zum abbau von bodenschaetzen einrichten, um internationale investoren anzulocken. die minerei (wie sagt man auf deutsch?) stellt eine der 5 saeulen in santos entwicklungsplan fuer kolumbien dar.

neben erlaeuterungen ueber die arbeit der ACA in der region und der besichtigung der EZA projekte fuehrten uns jugendliche ein kleines theaterstueck vor: mit dem inhalt, wie mit antipersonenminen umgegangen werden bzw. denen ausgewichen werden kann - ein thema, mit dem die kinder hier aufwachsen!

darueber hinaus hoerten wir persoenliche geschichten von krieg, massakern und immer wieder dem thema des vertrieben-werdens vom eigenen geliebten land.
eine frau erzaehlte von einem massaker von 16 bauern, das vor 15 jahren von paramilitaers mithilfe des staatlichen militaers begangen wurde, in dem ihr ehemann, zwei ihrer brueder, ihr cousin und ihr neffe umgebracht wurden. sie selbst hatte zu dem zeitpunkt 5 kinder, das aelteste davon 5 jahre alt, und die verantwortung fuer ein stiefkind. sie verliessen das gebiet, um dann zurueckzukommen, und wieder vertrieben zu werden. mittlerweile arbeitet sie in einem netzwerk von vertriebenen und opfern des kolumbianischen staates. zum 15 jaehigen gedenkttag wird es im november einen protestmarsch und eine feier geben, der auch viel internationale aufmerksamkeit bekommen soll.

ja, geschichten wie diese sind so praesent! die familien durchschnitten, die haeuser verlassen. das dorf, das wir besuchten, hat jetzt 6000 einwohner, vor 10 jahren hatte es doppelt so viele. viele leute gehen nicht zurueck zu ihrem ursprungsland, viele wurden ermordet oder bedroht, viele junge menschen waehlen das sicherere leben in der stadt.

es ist voll beeindruckend, wenn die leute nach dem erzaehlen dieser geschichten sagen: ja, der schmerz, der bleibt. aber es ist genau der schmerz, der uns die kraft gibt, widerstand zu leisten, aufklaerung der faelle und gerechtigkeit zu fordern!
ich hoere das, doch bleibt es unvorstellbar fuer mich.

trotz der ernsten und komplexen hintergruende genoss ich den tag sehr! meine puzzle-eindruecke von kolumbien und seiner geschichte setzten sich weiter zusammen. ich lernte, was es bedeutet, eine andere begleitaufgabe als das mitleben im friedensdorf zu leisten. ich lernte gleichzeitig die sicht der dorfbewohnerInnen kennen, als auch die der ACA aktivist_innen, und schliesslich die der kanadischen geldgeber_innen. es gab viel austausch, viel bewunderung und wuerdigung der geschichte der leute. und viele offene fragen.

wir sind verantwortlich, gesetze zu entwerfen, die die multinationalen konzerne an der ausbeutung der region hindern! sagten die kanadier_innen. fuer mich war der tag ein gutes beispiel einer gelungenen beziehung zwischen geldgeber_innen und beguenstigten im sueden. es war beziehungsarbeit und geschichtsaufarbeitungsarbeit dessen, was hier geschehen war. hinschauen auf die wunden punkte im nach aussen hin wunderschoen zu bereisenden kolumbien.

eine arbeit, so wie ich sie mir vorstelle. ich fuehlte mich so lebendig!

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