27.11.11

was ich begleite was mich begleitet

es passiert viel in kolumbien.
wichtige aemter wechseln, nachrichten, die bis ans andere ende der welt gelangen, ein ex guerillero ist seit anfang november buergermeister von bogota, zweitmaechtigster mann im land. zeichen dafuer, dass ernst gemeinter einsatz fuer den frieden honoriert wird, dass vergangene rollenbilder – wie die der staatsfeinde - aufgeloest werden koennen. 
die regierung feiert sich im lichte der militaeroparation im bundesstaat cauca, bei der FARC chef alfonso cano getoetet wurde. die bisherigen analysen, was das fuer kolumbien bedeutet meinen, die groesste guerillabewegung kolumbiens ist weitgehend geschwaecht, wenn nicht am niedrigsten punkt ihrer kaempferischen moeglichkeiten und schreckenserregenden gewalttaten angelangt. 
unsere hauptinformationsquelle, unsere nachbarn und die leute des dorfrates, meinen jedoch, die FARC wird sich gerade jetzt nicht geschlagen geben, nicht jetzt.
"dialog ist die einzige moeglichkeit, aus dieser situation zu entkommen", meint einer meiner lieblingsgespaechspartner in unserm dorf, "dieser dialog beginnt jedoch sicherlich nicht mit dem tod von alfonso cano". in unserer region sind sie jedenfalls nach wie vor praesent, die guerillas, erst letzte woche gab es einen kampf zwischen paramilitaers und guerilleros in einem benachbarten tal.     

auch auf der mikroebene sind wir beschaeftigt. die "heissen zonen" wechseln. wir werden angefragt, familien zu begleiten, anrufe zu tun, leute von der feldarbeit abzuholen. 
ich arbeite an artikeln ueber die landfrage und den cocaanbau.
ich verbringe gute anteile meiner zeit damit, meine neue kollegin charlotte zu begleiten beim kennen lernen der leute, der arbeit und beim eintauchen in das leben hier. es ist super. sie ist so motiviert u bringt viel aussensicht und andere interessen. viel zu diskutieren, viel lebensbewegendes, linguistisches und analytisches. fein.

aerzte ohne grenzen verlassen die region, um im choco, sozusagen tiefer im dschungel, zu arbeiten. wir waren gestern auf ihrem abschiedsfest mit den leuten von den peace brigades und der UNHCR, in der mini-expatriates-szene von apartado. schoen, zu tanzen, zu trinken, mediterrane snacks zu essen, mit leuten von ueberall auf der welt zu reden. sehr unterschiedliche leute, tw. karrieremaessig hier, teilweise mit einer grossen abenteuerlust. 
und wir sind diejenigen mit der einzigartigen erfahrung, wirklich und einfach bei und mit den leuten zu leben, eine tatsache, um die uns alle anderen organisationen hier beneiden. um das leben mit den nachbarn, den kindern, den tieren. um die freundschaften, die wir hier schliessen koennen und die wir mitnehmen. in den meisten faellen gehen die internationalen organisationen hier nur punktuell in eine gemeinde, arbeiten mehr auf analytischer, anwaltschaftlicher ebene, und auch das mit einem gewissen risiko.

momentan bin ich fast stolz, dieses leben zu haben, die arbeit der begleitung, die mein leben bedeutet, die es aendert. die bedeutet, hier mit den menschen zu leben und mit ihnen mitzugehen. mein anders-sein zu leben - denn nur durch mein anders-sein funktioniert die begleitarbeit - und doch auf gleicher ebene mit den nachbarn zu sein, gebackene bananen von ihnen geschenkt zu bekommen und ihre themen, sorgen, aengste und alltagsfreuden mitzutragen. es bedeutet, ein stueckweit meine eigene interessen zurueckzustecken, zu beobachten. und doch eroeffnet es moeglichkeiten der einsicht in politisches, persoenliches, die moeglichkeit gemeinsam gewalt zu bewaeltigen, ohne mich wirklich einzumischen. und doch bin ich da, in dieser wunderschoenen region, in die kaum reisende zugang haben.  

fuer den moment ist das leben gut hier. fuehl mich gut aufgehoben, sicher durch nachbarschaftliche kontakte, und sie fuehlen sich sicher durch uns und mich. kommen vorbei und berichten nicht nur ueber die yuca und kakao, sondern auch ueber ihre sorgen und das nahe kriegsgeschehen. gut eingebunden im netz der anderen begleitorganisationen. ein "normales", staedtisches leben kann ich jederzeit wieder haben, das hier ist kolumbianische campesino realitaet im kriegsgebiet.  

1 Kommentar:

  1. Elisabeth, danke für den Bericht!!!! Echt informativ und toll geschrieben! Alles Liebe & un abrazote

    AntwortenLöschen