5.1.12

weihnachten im regenwald & die geschichte von mulatos

weihnachten war ein festival.
das begann nach der organisation unserer begleitreise, die beinahe eine woche dauern wuerde und die sich in letzter minute um einen tag verschob. nach der koordination der uns begleitenden bzw. der von uns begleiteten pferde und menschen, ueber die wir zunaechst widerspruechliche informationen erhielten. in letzter minute funktionierte alles - wie immer anders als geplant.

und das festival begann schliesslich nach der siebenstuendigen wanderung durch extremen gatsch. ich liebe ja das wandern. ich liebe auch die berge. auch die berge mit dschungelwald. und ein bisschen regen u gatsch macht schon gar nix. zwar waren schwarze gummistiefel aus plastik nie mein lieblingsschuhwerk, fuer die hiesigen konditionen sind sie jedoch unabdinglich. voll motiviert u voller reiselust rannte ich die ersten eineinhalb stunden auf den jetzt schon wohlbekannten schneehuegel hinter unserem dorf hinauf. und dann begann' s: den rest der reise steckten wir buchstaeblich im gatsch fest. niemals hatte ich mir regenwaldpfade so vorgestellt, niemals dachte ich, es koennte so viel feuchte, mit regenwasser gefuellte erde auf einmal geben. meine gummistiefel blieben oefters hinter mir im matsch u mussten von den mit uns wandernden jugendlichen herausgezogen werden waehrend ich in meinen gestreiften stutzen schon ueber alle gatschloecher weitergerutscht war.

die von uns begleitete person war ein 74 jaehriger priester u langjaehriger begleiter der friedensgemeinde, der - sonst so gut zu fuss - auf diesem matschweg vor mir herstoplerte. er durfte sich bei den steigungen aufs pferd setzen, das sich auf seine weise den weg bahnte. bergab waers zu gefaehrlich am pferd, wegen des risikos, dass es stolpern u seitlich den weg hinunterrutschen koennte. und den weg duerfen wir nicht verlassen, nicht dem gatsch ausweichen - denn wir gingen durch vermintes gebiet! die waren einst von der guerilla gepflanzt worden, um zugang zu von ihnen kontrollierten gebieten abzugrenzen. die gueriller@s gingen, bzw. verloren das terrain, die minen blieben. und leidtragend ist die zivilbevoelkerung, die bauern, die auf den wegen marschieren. oder zu den weihnachtlichen festen wandern.

es war ein sehr harter tag. ich weiss nicht, wie oft ich ausrutschte und hinfiel, wie oft einer meiner stiefel im gatsch stecken blieb. ich weiss, dass als es um 5 zu daemmern - u da ich ja weiss, wie schnell es dunkel wird - ich mich zu fuerchten begann, dass ich den weg nicht mehr sehen koennte. u dann zu laufen, total ueberanstrengt. ich bekam blasen durch die steinderl, die sich zwischen die gatschnassen socken u die stiefel schoben. die letzte stunde wanderten wir eben dahin auf einem huegelruecken, die zwei burschen gaben charlotte und mir die haende u wir rannten ueber den gatsch hinweg. auch sie stolperten u fielen manchmal, doch ist es immer wieder erstaunlich, wie gemeinsam kraefte mobilisiert werden koennen.

die ankunft war umso schoener. obwohl von oben bis unten voller matsch wurden wir mit umarmungen empfangen und mit limettensaft - wen kuemmerts nach so einem tag, dass das wasser nicht gefiltert war.

mulatos erschien mir - vielleicht trug die vorangegangene anstrengung dazu bei - wie ein magischer ort. es liegt mitten im regenwald, es ist dort ein bisschen kuehler, dunstig, sehr verwachsen. ein fluss plaetschert an einer seite am doerfchen vorbei, sechs familien wohnen im "zentrum". zusaetzlich zu den haeusern gibt es zahlreiche kiosks - rundbauten mit blaetterdach, fuer versammlungen und um dort haengematten aufzuhaengen. ausserdem gibt es eine solarzelle, um einige gluehbirnen und leere handybatterien mit energie zu versorgen.

in mulatos fand am 21.2.2005 das letzte massaker an friedensgemeindemitgliedern statt, der familie von gruendungs- und ratsmitglied luis eduardo guerra, die nahe des friedlich plaetschernden flusses auf grausame weise getoetet wurde, kleine kinder miteingeschlossen. die von der gemeinde geforderte evaluationskommission bezueglich des massakers wird vom staat bis heute hinausgeschoben. es ist jedoch offiziell, dass eine antiguerilla-einheit des kolumbianischen bundesheers massgeblich am toeten der 8 menschen beteiligt war. nichtsdestotrotz verwendete der kolumbianische staat die schreckenstat seinerseits dazu, um durch eine neue, mitten im zentrum des friedensdorfes san jose errichtete militaerbasis seine macht zu demonstrieren.

ihretwegen zog die gesamte gemeinde einige monate spaeter weiter nach san josecito, jenem gebiet, das auch "la holandita" genannt wird, da es ein geschenk des holaendischen staates war. dort begannen sie in muehsamer arbeit, neue haeuser zu bauen sowie die feldarbeit auf neuen gruenden. aufgrund der naehe zum fluss des neuen dorfes und den ungenuegenden hygienischen bedingungen litten viele von ihnen unter malaria in dieser zeit, einige verliessen die friedensgemeinde, um weiter in san jose ihr gewohntes leben zu leben. die militaerbasis dort wurde seither ausgeweitet und auf den nahen huegel verlegt, mit schmalen fenstern, wie wachsame augen, immer das dorf im blick. die bevoelkerung und das ambiente dort haben sich seit ihrer existenz stark veraendert. und die friedensgemeindemitglieder sind seither gezwungen, ihre taeglichen besorgungen im dorf vor den augen der soldaten zu erledigen. auch unser weg von la union, das zwei stunden weiter oben am berg liegt, in die stadt fuerht stets an der militaerbasis vorbei.

mulatos ist seit dem massaker zu einem ort des friedens geworden. es gibt gedenktafeln und jedes jahr gedenkfeiern, gemeinschaftsplaetze und eine gemeinschaftskueche. ich spuerte dort frieden und gemeinschaft. die friedensgemeinde hielt eine zwei tage lange versammlung  im grossen kiosk, wo alle im kreis sassen.

und wir waren zum feiern gekommen! die leute sangen und schrieen. einer der maenner wusste so viele liedtexte zu den immer gleichen klaengen von 3-5 gitarren. er wurde immer wieder zum weitersingen aufgefordert. dazu wurde auf toepfen getrommelt, loeffel und taschenlampen fungierten als musikinstrumente. bald wurde getanzt. ich mochte es sehr. in der nacht des 24. dezembers holten einige maenner umstaendlich ein dieselmotor von "einer stunde den berg hinauf", um damit die musikanlage zu betreiben. schliesslich tanzten sie alle bis in die morgenstunden - meine beine hielten ob der vorangegangenen erschoepfung nur zwei stunden durch.

zwischendurch sang ich mit den schweizer kolleginnen von pbi altbekannte weihnachtslieder. darueber hinaus hatte das weihnachtsfest wenig mit den mir bekannten braeuchen zu tun. naechstes jahr freue ich mich wieder auf tannenduft und weihnachtsbaeckerei!

nach dem fest wanderten wir weiter ins hoffnungstal, wo wir diesmal eher die familienfeiern als angstvolle menschen begleiteten. es reisten verwandte aus den staedten an, das haus war gesteckt voll. jede nacht wurden die plaetze zum haengematten-aufhaengen neu verhandelt. es wurde ein schwein, eine ente und ein huhn geschlachtet.
ich wundere mich ueber so viel gastfreundschaft und will mir etwas davon zureuck nach oesterreich mitnehmen!

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