8.5.12

gegen den staat oder ueber die entwicklung einer alternativen oekonomie & politik

seit dem massaker 2005 hat die friedensgemeinde mit dem staat gebrochen.
es ist nachgewiesen, dass das kolumbianische militaer (insbesondere la brigada XI) massgeblich und mithilfe paramilitaerischer gruppen, die die ausfuehrenden waren, an der toetung der 8 personen, inklusive kleiner kinder, beteiligt waren. der verantwortliche ist seit kurzem in lebenslaenglicher haft. seit kurzem, denn die erste reaktion der staatlichen behoerden war die errichtung einer polizeistation mitten in san jose de apartado und die oeffentliche diffamierung der gemeinde als guerriller@s. worauf die gesamte community gezwungen war, umzuziehen, wenn sie den prinzipien, ohne bewaffnete akteure vor ihren tueren zu leben, treu bleiben wollte. unter grossen muehen und schwierigen hygienischen bedingungen, die zur erkrankung und zum austritt vieler gemeindemitgliedern fuehrte, bauten sie ein neues dorf auf: la holandita.

die friedensgemeinde hat vier forderungen veroeffentlicht
* das entfernen der polizeistation aus san jose
* eine entschuldigung fuer die diffamierung von seiten des praesidenten uribe
* die anerkennung humanitaerer zonen, in die bewaffnete akteure keinen zutritt haben und in der die zivilbevoelkerung schutz finden kann
* die errichtung einer evaluierungskommission zur untersuchung aller menschenrechtsverletzungen gegen die friedensgemeinde und der fast 200 toetungen von gemeindemitgliedern

sie hat offiziell erklaert, solange der staat ihnen nicht in diesen vier punkten entgegenkommt, alle kontakte zu den behoerden abzubrechen. der verwaltungsgerichtshof gab der friedensgemeinde 2008 in ihrer position recht. die einzige stelle, zu der sie bis zuletzt kontakt hatte, ist die volksanwaltschaft. nun wackelt auch dieser ohnehin wenig vertrauensvolle kontakt.

die friedensgemeinde hat ihre eigenen netzwerke aufgebaut. alternative netzwerke gegen die neoliberale staatsdynamik, die kolumbien betrieben hat. internationale solidaritaetsnetzwerke, die mit wirtschaftlicher oeffnung, mit freihandelszonen und nach aussen gerichteten menschenrechtsdiskursen nichts zu tun haben. mit dem friedens- und gerechtigkeitsgesetz, mithilfe dessen angeblich seit 2006 die paramilitaers de-mobilisiert wurden, sozusagen ihre waffen abgegeben haben. seither gibt es offiziell nur noch "kriminelle banden", die nicht als konfliktpartei anerkannt sind.

im moment besiedeln genau diese neo-paramilitaerischen gruppen den umkreis der friedensgemeinde und verursachen dort grosse umsiedelungen der baeuer_innen, die fluchtartig ihr land verlassen. das land, ihre lebensgrundlage, wo sie ihr essen anbauen und ihre tiere halten, das einzige, das sie besitzen.

das militaer sieht zu und tut nichts. es bekommt wohl grosse ertragssummen aus dem drogenhandel oder ist strukturell so sehr in die para-oekonomie und -politik verwickelt, dass eine position ausserhalb derer nicht moeglich ist.

in den letzten sechs monaten hat sich diese dynamik auf alarmierende weise verschaerft. einige zeitungen sprechen wieder von paramilitaers und auf bundesebene wird oftmals ein verschaerftes vorgehen gegen "kriminelle banden" gesprochen. in der region uraba bleibt jedoch weiterhin alles fein verwoben, die bananenwirtschaft, die buergermeister, die paramilitaers und die 17. brigade des kolumbianischen militaers. vor zwei wochen wurde im umkreis der friedensgemeinde eine familie von paramilitaerischen akteuren entfuerht. wir und eine andere internationale organisation haben je einen anruf an den hoechsten kommandanten besagter brigade getaetigt - und noch in der selben stunde wurde die festgehaltene familie freigelassen.

immer wieder sehen wir, dass die internationale praesenz grosse wirkung zeigt. die uebergreifende dynamik jedoch, dass von paramilitaers kontrollierte zivilbevoelkerung in den territorien im umkreis der friedensgemeinde angesiedelt wird, scheint momentan unaufhaltbar.

die friedensgemeinde hat eine starke position in der region. das militaer versucht, ihre haupt-doerfer zu kontrollieren, was natuerlich nicht in ihre prinzipien passt, uns aber die moeglichkeit bietet, mit legalen bewaffneten akteuren zu sprechen und die begleitarbeit gegenueber diesen zu festigen.


wie ferne die staatlichen behoerden dem verstaendnis der friedensgemeinde sind, zeigte sich letztes monat bei einer anhoerung des verfassungsgerichtshofes. kolumbiens verteidigungsminister offerierte grosszuegig kugelsichere autos, bewaffnete eskorten und satellitentelefone fuer die friedensaktivist_innen.

wir hatten vorige woche ein treffen mit einer mission der organisation der amerikanischen staaten und stellten fest, dass selbst ihr buero in apartado ferne von der konfliktiven realitaet der baeuer_innen liegt. was tun die mitglieder der friedensgemeinde den ganzen tag? fragten sie uns. wenn sie den frieden gefunden haben, warum ziehen sie nicht los ins ganze land und versuchen diesen auf ganz kolumbien auszubreiten? eine position, die zeigt, dass diese menschen noch nie einen fuss in ein laendliches gebiet, wie das wo wir wohnen, gesetzt haben. dass die friedensgemeinde staendiger bedrohnung ausgesetzt ist und keinen kopf zur workshop-entwicklung hat, versteht sich nicht von selbst.



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